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Über das Anfangen Anke Neumann mit Bildern im Schloß Eichtersheim 2013 Keuchenius
Wenn ein Schüler zu mir kommt und schon was kann, wird ´s schwierig. Schwieriger als wenn er nichts könnte, denn Können, das ist immer etwas in sich Geschlossenes. Können ist immer auch etwas Fertiges. Wir sprechen von Kunst-fertigkeit. Und wo etwas fertig ist, da besteht die Neigung, sich einzurichten, sich im Stillstand nur noch zu perfektionieren... Die Kunstfertigkeit widerstrebt gern der Änderung, sperrt sich gegen Neuerung und verrennt sich leicht in der Meinung, sie müsse sich nur noch verbessern, verfeinern, statt sich dem Abenteuer auszusetzen, das die Kunst (als Schöpfung) ist. Mit bloßer Kunstfertigkeit wäre die Kunst tatsächlich bald fertig – mit sich und der Welt und würde nur wiederholen, was sie kann. Immer perfekter, aber eben nur von Wiederholung zu Wiederholung. Bloße Kunst-fertigkeit, die ihr Ende in sich selbst findet, ist unfähig zu wachsen, unfähig, das Andere zu schaffen. Eine solche Kunst hätte angefangen aufzuhören.
Wenn ein Schüler zu mir kommt und schon was kann, wird’s schwierig. Ich hatte einmal die Idee, solche Subjekte einfach auszuschließen; einen umgekehrten Numerus clausus einzuführen: Wer schon viel kann, bleibt draußen! Natürlich wurde aus dieser Idee keine Regel, kein Gesetz, sonst stünde ich heute nicht hier, um Ihnen Anke Neumann als Künstlerin vorzustellen.
Als sie zu mir kam, konnte sie schon was, war also schwierig, und so machte ich mich daran, die harte Nuß zu knacken. In den Deckmantel des Lobens – berechtigtes Loben war das – bohrte ich Löcher für Sprengladungen, die bewirken sollten, daß sie künstlerisch nicht einschläft. Denn Können schläfert ein. Was meine Schülerin nicht umbrachte, die Sprengungen, das machte sie stark.
Ihre frühen Arbeiten zeigen noch mehr den Menschen als Modell, in Posen stehend, sitzend, liegend – als gäbe es kein Danach. In den späteren Arbeiten erleben wir dann ein Auferstehen der Modelle als Menschen, welche sich nicht mehr durch ihre Abbildähnlichkeit ausreichend definieren lassen: Trotz Pose werden sie in zunehmend freien Strichen atmender, lebendiger, verlassen ihr Spiegeldasein und werden als künstlerische Objekte subjektiver. Das dekorative Modell wird mitmenschlicher. Und allmählich fordert das Können, über sich hinauszugehen, und es gilt nun: Kunst kommt von Können, geht aber darüber hinaus. (Ich spreche von den weniger auffälligen Bleistiftzeichnungen, den leicht hingeworfenen Skizzen, deren Treffsicherheit, ins Lebendige hinein, nicht zu übersehen ist.)
Inzwischen jongliert die Künstlerin mit verschiedenen Techniken und Motiven, fingert etwa aus ihrem Schminkdöschen feine Akte aufs Papier und verläßt die anfangs türlos geschlossenen Bildräume, zeichnet sich malerisch nach draußen und in vergangene Zeiträume.
Bevor Sie, verehrte neugierige Betrachter, die Frage doch lieber verschlucken, warum es denn hier so viele Akte gibt, will ich Ihnen die allgemein und bleibend gültige Antwort geben: Ob Picasso oder Neumann – Künstler interessieren sich schon immer mehr für das, was der Liebegott erschaffen hat als für das, was der Designer dranhängt; Künstler interessieren sich schon immer mehr für die Kreatur als für die Création.
Genießen Sie nun das Spannungsfeld des strengeren Könnens einerseits und des bewegt Schöpferischen andererseits, das wir am stärksten in den rhythmischen Interpretationen der neuesten Gruppenbilder finden. Mit einem letzten Wort zur Künstlerin will ich schließen und dabei etwas eröffnen: Wer mit dem Schöpferischen einmal ernst macht, den läßt die Kunst nicht mehr los; mit dem hat die Kunst etwas angefangen. Und da Kunst grundsätzlich und immer Anfangen ist, können wir davon ausgehen, daß diese Ausstellung bereits der Anfang von Anke Neumanns nächster Ausstellung ist, zu der Sie herzlich eingeladen sind.
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